Interview mit Stefan Schlicht, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und Kindergastroenterologe

Bei der eosinophilen Ösophagitis (kurz EoE, engl. Eosinophilic Esophagitis) handelt es sich um eine chronisch entzündliche Erkrankung der Speiseröhre (Ösophagus), charakteristisch dafür ist das Einwandern eosinophiler Granulozyten (Untergruppe weißer Blutkörperchen) in die Schleimhaut. Die Krankheit kann jeden betreffen, vom Säugling bis zum Erwachsenen und gerade im Kindesalter werden die oft unspezifischen Beschwerden leicht übersehen. Stefan Schlicht spricht in diesem Interview über diese Erkrankung, die in den vergangenen Jahren immer häufiger diagnostiziert wurde, doch deren Entstehung und Ursachen noch nicht vollständig geklärt sind.

Herr Schlicht, was sind die möglichen Auslöser beziehungsweise die Ursachen der EoE?

Stefan Schlicht: Es wird vermutet, dass verschiedene Auslöser für die EoE in Betracht kommen, wie unter anderem Nahrungsmittelallergene, die beispielsweise beim Verzehr von Kuhmilch oder Weizen dann eine Entzündung der Speiseröhre hervorrufen können. Aber auch Allergene aus der Luft (Umweltallergene) und verschiedene Gene stehen im Verdacht, bei der EoE eine Rolle zu spielen. Dennoch wird die Erkrankung aktuell eher den Autoimmunerkrankungen zugeordnet als den allergischen Erkrankungen.

Wer zählt zu den möglichen Risikogruppen?

Stefan Schlicht: An einer EoE erkranken überproportional häufig Jungen (zirka dreimal häufiger als Mädchen). Ein weiterer Risikofaktor sind andere allergische Erkrankungen, denn etwa 70 Prozent der EoE Patienten sind damit vorbelastet, wie beispielsweise allergisches Asthma, Heuschnupfen, Ekzeme und Nahrungsmittelallergien. Daneben lässt sich ebenfalls eine genetische Veranlagung annehmen, da EoE in manchen Familien vermehrt auftritt. Insbesondere eine Veränderung des Chromosoms 5q22 erhöht bei Kindern das Risiko an einer EoE zu erkranken.

Welche Beschwerden weisen auf eine EoE hin?

Stefan Schlicht: Die Symptomatik kann ein echtes Chamäleon sein, ändert sich altersabhängig und reicht beim Säugling und Kind von der Nahrungsverweigerung über Erbrechen, Bauch- und Brustschmerzen bis hin zu Schluckbeschwerden und Steckenbleiben von Nahrung in der Speiseröhre insbesondere bei Jugendlichen und Erwachsenen. 

Hauptsymptome der EoE:

  • Verminderter Appetit bis hin zur Nahrungsverweigerung
  • Erbrechen
  • Gedeihstörung
  • Schluckbeschwerden (Dysphagie) oder Husten, vorwiegend beim Verzehr von fester Nahrung
  • Unangenehmes oder schmerzhaftes Gefühl, dass das Essen im Hals stecken bleibt
  • Brust- und Bauchschmerzen
  • Sodbrennen
  • Nahrung bleibt im Hals stecken (Bolusimpaktion)

Wie kann eine EoE diagnostiziert werden?

Stefan Schlicht: Ob tatsächlich eine EoE vorliegt, kann nur ein Gastroenterologe sicher feststellen. Dazu wird im Anschluss an eine ausführliche Anamnese und körperliche Untersuchung bei einer Endoskopie (Spiegelung der Speiseröhre) die Speiseröhre begutachtet und gleichzeitig mehrere Gewebeproben (Biopsien) entnommen. Bei einer EoE sind häufig schon mit der Kamera des Endoskops Anzeichen einer chronischen Entzündung in der Speiseröhre erkennbar. Entscheidend für die Diagnosestellung ist aber eine erhöhte Anzahl eosinophiler Granulozyten in den entnommenen Gewebeproben.

Was können die Folgen einer unbehandelten EoE sein?

Stefan Schlicht: Wenn die EoE unbehandelt bleibt, dann verliert die Speiseröhre durch die chronische Entzündung an Elastizität und die Schleimhaut verändert sich. Durch die daraus resultierenden Vernarbungen können sich im Laufe der Zeit sogar Engstellen (Stenosen) entwickeln. Das Gewebe verhärtet und festere Nahrung kann im wahrsten Sinne des Wortes „im Hals stecken bleiben“.

Welche Therapiemöglichkeiten stehen derzeit zur Verfügung?

Stefan Schlicht: Leider ist eine Heilung der EoE bislang nicht möglich, allerdings gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. Zum einen über Medikamente, wie beispielsweise spezielle Kortison-Präparate oder Säureblocker (Protonenpumpeninhibitoren), aber auch eine Eliminationsdiät, bei der die Patienten die Nahrungsmittel Kuhmilch, Weizen, Eier, Nüsse, Soja und Meeresfrüchte strikt meiden, kann hilfreich sein. Bei Engstellen in der Speiseröhre kann auch eine Weitung (Dilatation) dieser in Betracht kommen.

Wir bedanken uns herzlich bei Herrn Schlicht für das Interview